Als erstes vorweg, uns geht's gut!!! Wir befinden uns zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrages in Bangkok und geniessen das Grossstadtleben. Das unten Geschriebene ereignete sich vor etwas mehr als einer Woche.
08.09.2022 Böses Erwachen
Um 6:30 Uhr weckt uns plötzlich ein ohrenbetäubender Knall gefolgt von einer Erschütterung. Shari steht in Rekordzeit auf, wobei sie den Seidenschlafsack noch um die Beine gewickelt hat, und prüft vor der Eingangstür die Ursache, welche nicht lange gesucht werden muss. Ihrer Stimme an erkennt Marco sofort, dass die Lage ernst ist. Marco begibt sich ebenso auf die Veranda unserer zweistöckigen Bungalowanlage und stellt mit Entsetzen fest, dass sich schräg unter uns ein Fluss mit Geröll und Ästen gebildet hat.
Ein gewaltiger Erdrutsch hat unser Bungalow erfasst und das untere Stockwerk zertrümmert!
Völlig schockiert, doch mit klarem Verstand besprechen wir in Windeseile das weitere Vorgehen. Wir müssen schnellstmöglich das einsturzgefährdete Bungalow verlassen.
"Wir brauchen unsere Pässe!", "Schuhe sind wichtig für die Flucht!", "Wasser! Packen wir Wasser ein!"- alles Gedanken, die uns durch den Kopf schiessen. Bevor wir bemerken, dass wir aufgrund des abrupten Schlafunterbruches, kaum bekleidet das Bungalow verlassen wollten. Nachdem wir uns rasch, herumliegende Kleidungsstücke überzogen, packten wir Besprochenes ein. Mit je einem Tagesrucksack gerüstet verliessen wir fluchtartig das Bungalow und begaben uns auf die Veranda. Das Reisegepäck liessen wir zurück, da wir keine Ahnung hatten, ob das Bungalow demnächst einbricht.
Wir konnten die Besitzerin der Bungalowanlage unten am Strand stehen sehen. Sie leitete uns an, via Treppe das Bungalow zu verlassen. Der Zugang zur Treppe war jedoch bereits mit dem Schutt des Erdrutsches zugeschüttet. Weiter ging es daher auf der Veranda zur nächsten Treppe. Zu unserem Schreck mussten wir feststellen, dass auch dieser Fluchtweg versperrt war. Die Vermieterin wirkte etwas ratlos, lotste uns jedoch weiter. Sie rief uns zu, dass wir via Dach auf das nächste Gebäude steigen und dann über die Mauer klettern sollen (auf thailändisch und mit Handzeichen). Wir folgten den Anweisungen. Shari kletterte als erstes unter dem Geländer durch, um auf das darauffolgende Dach zu gelangen. Sie machte sich bereit über die Mauer zum nächsten Gebäude zu steigen, welches greifbar nah war. Plötzlich brach der Teil des Daches, auf dem sie stand, in sich zusammen.
Shari stürzte durch das Dach. Marco, der Shari zugleich auf das Dach folgen wollte, musste den Einsturz mit anschauen. Verunsichert erkundete er sich nach Shari, die anscheinend den Umständen entsprechend weich im Erdgeschoss gelandet ist. Innerhalb von wenigen Sekunden stand sie wieder auf und trat einige Schritte nach vorne.
Marco entschied sich, durch das vorgefertigte Loch ins untere Gebäude zu klettern und begab sich ebenso auf das Dach. Bei der Vorbereitung des sanften Abstiegs stürzte auch der Dachabschnitt von Marco in sich zusammen. Shari sah ihn mit voller Wucht auf dem Boden aufschlagen. Aber auch Marco stand in wenigen Sekunden wieder auf.
Gemeinsam mit der Vermieterin verliessen wir schliesslich das Gebäude. Rasch wurde eine blutende Wunde am Oberarm von Marco sichtbar. Die Vermieterin wollte uns beim Gebäude nebenan in Sicherheit bringen und wies uns an, hier zu warten. Aufgrund der blutenden Wunde und der unsicheren Lage der Gebäude ergriffen wir weiter die Flucht.
Da die Bungalowanlage nur via Strand erreichbar und nicht mit einer asphaltierten Strasse erschlossen ist, machten wir uns (in gutem Schuhwerk) auf den Weg zum nächstgelegenen Hotel mit Strassenanschluss. Während des Fussmarsches konnte Shari die Tränen nicht mehr zurückhalten. Marco, der sich beim Sturz eine blutenden Wunde am Oberarm zugezogen hatte, war noch immer im funktionierenden Schockmodus.
In der Hotelanlage stürmten wir panisch das Frühstücksbuffet. Rasch eilten uns Hotelangestellte sowie Gäste zur Hilfe und desinfizierten die Wunde von Marco. Shari betonte mehrfach, dass ein Arzt benötigt wird. Schliesslich wurden wir mit einem Golfwagen abgeholt, der uns durch die von Wasser überfluteten Wege zur Rezeption fuhr. Dort angekommen, wurden uns warme Handtücher und ein Getränk abgegeben. Wenige Minuten später traf die Ambulanz ein (wir hatten im Kofferraum zu zweit gerade so Platz - Kopf einziehen beim Einsteigen!) und brachte uns ins nahegelegen Spital. Marco wurde umgehend behandelt. Shari versuchte derweil, mit den schweizerischen Versicherungen telefonisch Kontakt aufzunehmen. Die Wunde wurde feinsäuberlich desinfiziert und mit fünf Stichen genäht.
Nachdem die Behandlung abgeschlossen war, erfolgte die Rückkehr in die Hotelanlage mit den hilfsbereiten Mitarbeitern. Wir entschieden uns für die kommenden zwei Nächte hier unterzukommen. Das Hotel war ein 5-Sterne-Hotel mit massiven Betongebäuden. Genau das, was wir jetzt brauchten. Wir konnten trotz der frühen Uhrzeit bereits ein Zimmer beziehen. Im Zimmer angekommen, waren für uns "Kleinigkeiten" welche das Hotel allen Gästen zur Verfügung stellt, wie Flipflops, Bademäntel und Softdrinks ein unglaublicher Luxus (der 5 Liter Wasserkanister, ging nämlich während dem Sturz vom Dach verloren). Als nächstes machten wir uns auf, um die nötigsten Utensilien einzukaufen (Unterwäsche, T-Shirt, Verbandsmaterial etc.).
Wir entschieden uns erneut zur Bungalowanlage zurückzukehren, um uns ein Bild des Erlebten zu machen und konnten unseren Augen kaum trauen.
Das weisse Bungalow im Obergeschoss war unser Zimmer
Unser Weg nach unten durch das hinterlassene Loch im Dach (oberhalb Massagetafel), inkl. graziler Landung auf dem geschrotteten Bänkli.
Wir standen vor einem überwältigenden Trümmerfeld, welches bis zum Meer ragte. Ein Grossteil der Bungalowanlage war vollkommen zerstört. Zimmer welche sich im hinteren Teil (Hanglage) befunden hatten, waren nicht mehr erkennbar. Unser Zimmer stand ausschliesslich auf einem Pfeiler in Schräglage. Unser Zimmerboden hing schief nach unten. Das Zimmer unter uns, in dem unsere Vermieterin am Morgen schlief, war komplett weggespült. Wir erfuhren vom Eigentümer der Bar nebenan, dass unsere Vermieterin nach dem Ereignis umgehend von der Insel geflüchtet ist und auf das Festland zurückkehrte.
Der Eigentümer der Bar von nebenan erkundigte sich, ob wir noch Utensilien im Zimmer haben. Wir teilten ihm mit, dass sich, abgesehen von Kreditkarten, Bargeld und den Reisepässen, unser gesamtes Hab & Gut im Zimmer befindet. Daraufhin überlegte er sich, in unser Zimmer zu steigen und das Gepäck rauszuholen. Da noch immer grosse Wassermassen den unteren Teil des Gebäudes durchflossen und die Lage äusserst instabil wirkte, entschieden wir uns, mit der Rettungsaktion unseres Gepäcks noch etwas zu warten.
Wir verabredeten uns mit ihm für den kommenden Tag, um die Situation neu einzuschätzen und kehrten in unsere Hotelanlage zurück. Endlich konnten wir eine wohltuende Dusche nehmen. Wir telefonierten danach mit unseren Familien und erzählten von den Ereignissen.
Alles was wir in der Eile gepackt hatten.
09.09.22 - Erste Erholung im Luxushotel
Nach einer Nacht völliger Erschöpfung, in der wir nicht ohne Licht schlafen konnten und kaum ein Auge zukriegten, genossen wir am Morgen das luxuriöse Frühstücksbuffet und kehrten am Nachmittag erneut zur Bungalowanlage zurück.
Der Besitzer der Bar von nebenan war nirgends zu finden. Via Textnachricht erfuhren wir, dass heute keine Rettungsaktion unseres Gepäcks stattfinden wird. Die Lage war aufgrund des anhaltenden Regens weiterhin instabil. So kehrten wir also erneut in unser Hotel zurück und beschäftigten uns mit der Erledigung von administrativen Aufgaben (Versicherungskram) sowie dem Organisieren unseres Reisegepäcks.
10.09.22 - Wie weiter?
Auch in der darauffolgenden Nacht konnten wir kaum schlafen. Wir hofften sehr, dass unser Gepäck heute aus dem Bungalow geholt werden kann. Die zwei neu gekaufte synthetischen T-Shirts fühlten sich mittlerweile wie eine Schweissschleuder an. Als wir am Nachmittag in der Bungalowanlage ankamen befand sich bereits ein Freund des Barbetreibers barfuss in unserem Bungalow uns packte unser Gepäck. Vorsichtig liess er unsere Utensilien von der Veranda mit einem Schnürchen zum Strand herab. Aufgrund der weiteren instabilen Lage des Gebäudes (es wurden keine Stützen o.Ä. am Gebäude angebracht, auch war der Mann nicht gesichert) teilten wir ihm mit, er soll unser Gepäck ganz unkompliziert, jedoch möglichst rasch von der Veranda schmeissen und sich dann wieder in Sicherheit bringen. In kürzester Zeit war unser gesamtes Gepäck unten angekommen und der Mann kletterte über die verschiedenen Gebäude wieder zum Strand (deutlich sanfter als wir). Wir waren so dankbar, dass dem Mann welcher sich mutig dem ganzen stellte, nichts zugestossen war. Die Freude, unser gesamtes Hab & Gut wieder zu haben war unfassbar. Zurück im Hotel liessen wir unsere gesamten Kleider vom Hotel waschen (Haha, zu einem Luxuspreis!). Wir hatten einen Neustart mit frischen Kleidern und dem gesamten Gepäck mehr als nötig.
Rettungsaktion unseres Gepäcks - JUHUI!!
11.09.22 - Neue Unterkunft am Lonley Beach - Koh Chang
Der Neustart soll in einem sicheren und stabilen Bungalow fernab von steilen Hängen und an einem anderen Strand stattfinden. Wir entschieden uns für eine Erkundungstour einen Roller zu mieten und der Westküste nach Süden zu fahren. Wir genossen den Fahrtwind, die frische Luft und endlich eine neue Umgebung zu erkunden. Über eine Woche war bereits vergangen und dies fühlte sich nach dem ersten freien Reisetag an. Am Lonley-Beach fanden wir massiv gebaute Bungalows in einer hübschen Bungalowanlage. Ein Häuschen mit Meerblick und dennoch im sicheren Abstand zum Meer und Hügeln- wie auf uns zugeschnitten. Wir verbrachten drei Nächte in diesem Bungalow. Trotz der sicheren Anlage fühlte sich jeder Regenschauer, Gewitter und alltägliche Geräusche unsicher an. Daher entschieden wir uns für einen Kulissenwechsel.